Der Weg in die Mainzer Landstraße 178 führt an Gründerzeithäusern, im Wachstum befindlichen Betonblöcken und einem tiefen Baustellenloch vorbei, aus dem schon bald ein neuer Wohnturm ragen wird. Autofahrer:innen eilen zur Arbeit oder meditieren auf dem Fahrradweg. Die 11 rattert gleichmütig nach Fechenheim und in der Ferne glitzert das Dach der Galluswarte. Nach zwei Jahren unfreiwilligen Wartens starten wir endlich unser Co-Working-Projekt: in einem Bürokomplex, der den vielversprechenden Namen „Atrium Plaza“ trägt.
Mieter:innen der sieben Stockwerke (verschiedene Softwareunternehmen, ein Distributor für Elektronikkomponenten, die Unternehmensberatung Capgemini und unsere Gastgeber:innen SleevesUp!) stehen neben einer Tiefgarage und einer Bahnstation direkt vor der Haustür ein paar ordentliche Fahrradständer zur Verfügung.
Ich passiere zwei Glastüren (bitte nicht wild an der Türklinke zerren, sondern elegant den Tür-Öffnen-Knopf drücken) und finde mich im menschenleeren Atrium wieder. Hoch über mir, durch die buchstäbliche gläserne Decke strahlend, der blaue Himmel. Bevor ich erörtern kann, ob die Kaffeebar in der Ecke jemals öffnet, verwandelt sich der schwarze Punkt am Eingang beim Näherkommen in Diana Riemer. Gemeinsam lassen wir uns von der gut gelaunten Empfangsdame in einen Seitenflügel zu Lara von SleevesUp! leiten. Sie verrät uns ein paar Fakten.
SleevesUp! ist ein deutsches Unternehmen, das in mehreren Städten flexibel anmietbare „Serviced Offices“ unterhält.
Der Standort im Gallus gehört zur Kategorie „Blue Label“. Das heißt: zentrale Stadtlage sowie „erhöhter Service und Komfort“ zum entsprechenden Preis. Im Gegensatz dazu stehen „Green Label“-Flächen „ganz ohne Schnickschnack“ für „echte Machertypen“, die kleinere Budgets verwalten. Wer viel herumreist, erhält im Rahmen einer Mitgliedschaft Zugang zu allen Büros. Ein Tagesticket kostet 17,85 Euro.
Gerade als wir im Eingangsbereich von Lara erfahren, wie die Mieterstruktur aussieht (kein Branchenfokus), betritt ein einsamer Anzugträger eine Ruhe-Box, in die genau zwei Personen und zwei Laptops passen. Später führen wir Telefongespräche in Ein-Mensch-Boxen. Sie summen ein wenig zu laut (die Lüftung) und zwingen einen, schön gerade zu stehen. (Auf keinen Fall leidenschaftlich gestikulieren, sonst drohen gebrochene Knöchel.)
Die gesamte Umgebung kommt recht verwinkelt daher, was dazu einlädt, Wildfremde nach dem Weg zu fragen. Die verschlossenen Türen tun das Gegenteil. Im offenen Eventbereich wartet ein Kicker-Tisch auf Spieler:innen. Eine mit Teppichboden belegte und Kissen ausstaffierte Treppe eignet sich für kontemplative Momente oder ein Nickerchen.
Verglaste Büros für zwei bis fünf Personen wechseln sich mit Meetingräumen ab. Der ausgewiesene Co-Working-Bereich, in dem wir Platz nehmen, ist von ihnen umgeben. Kein Tageslicht, kein Fenster. Dieses ließe sich ohnehin nur minimal öffnen, eine Klimaanlage reguliert nämlich den Luftstrom. Dafür gibt es höhenverstellbare Schreibtische samt Schreibtischlampe und funktionale Bürostühle.
Etwas schade, dass wir unsere Laptops nicht in den vorhandenen Rollcontainern abschließen dürfen; die sind nur Mitgliedern vorbehalten. Außer uns arbeiten zwei junge Männer reg- und klanglos vor sich hin. Ins Gespräch kommen wir mit einem Tagesbesucher, der sich gerade im Küchenbereich der Getränkewahl stellt (Wasser, Darjeeling, Earl Grey und Kaffeespezialität auf Knopfdruck inklusive oder Limo gegen Bares).
In der Pause gehen wir nach draußen. Ob Spaziergang durch die Frankenallee (Bäume, Bänke, Ball spielende Kinder), ein Mittagessen im Restaurant (die Bandbreite reicht vom Italiener um die Ecke bis zum eritreischen Huhn) oder Schnellimbiss im Food Court des Skyline Plaza, an Abwechslung mangelt es nicht.
Wir wählen vietnamesisches Streetfood to go und machen es uns in einem der Wintergärten von SleevesUp! gemütlich. Bunte Stühle, t3n-Exemplare auf den Couchtischen. In anderen Zeiten könnten wir uns hier Gespräche über große Pläne von aufstrebenden Start-ups vorstellen. Aber weil wir im Jetzt leben, bleiben wir unter uns, mit unseren diametral entgegengesetzten Erfahrungen und Erwartungen sowie verschiedenen Interpretationen der Realität. Denn, wenn zwei Selbstständige einen Co-Working-Space betrachten, sehen sie naturgemäß nicht dasselbe.
Nicht mal der Kaffee schmeckt ihnen gleich gut oder schlecht. Und so freut sich Diana darüber, dass der Automat mehr ausspuckt als schwarze Brühe und ich wundere mich, wo bei all diesen Ambitionen, New Work-Strategien umzusetzen und in einem prestigeträchtigen Ambiente Erfolge zu feiern, die Atrium Plaza-Barista bleibt. In einem Punkt herrscht allerdings Einigkeit. SleevesUp! erfüllt das Versprechen von seiner Website: Es vermietet Büros mit freundlichem Service, ohne langfristige Knebelverträge. Co-Working interpretiert man indessen als Möglichkeit, Arbeitsplätze flexibel zu buchen.
Doch wie entstehen Synergien? Wo bleibt der Netzwerkeffekt? Erwarten wir womöglich zu viel? Schau doch selbst mal vorbei. Wir freuen uns auf Deine Eindrücke und eine dritte, vierte, fünfte Perspektive.
Vierbeiner willkommen
Postservice inklusive
Klasse Reinigungsteam
Haben wir einen Aspekt übersehen?
Dann erzähl uns, was Dir beim Co-Working wichtig ist, damit wir beim nächsten Mal darauf achten.
Subjektive Notizen
Der herzliche Empfang bleibt uns noch lange in Erinnerung. Ein Tagesticket bekommen Besucher:innen zu einem sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. SleevesUp! im Gallus besuchen wir sehr gerne wieder!
Kundenmeetings
Ins SleevesUp! laden wir Kund:innen ein, die sich im großstädtischen Ambiente mit klassischem Büroduft wohlfühlen.
Stadtteilansichten
Wird der kalte Wind aus der Europa-Allee im Ostblock-Stil die verrußten Ecken sauber fegen? Wir behalten das im Auge.
Freund:innen
Diana mag den Kaffee und die höhenverstellbaren Schreibtische. Eine Wiederholung unseres Ausfluges bietet sich an.