Schon am frühen Morgen steigt heiße Luft auf zwischen Taunusanlage und Mainzer Landstraße. Autos kleben Stoßstange an Stoßstange vor den Ampeln. Fußgänger:innen flitzen im Schatten der Wolkenkratzer. Glasfassaden spiegeln andere Glasfassaden in diesem Frankfurter Spiegellabyrinth, das wir Bankenviertel nennen.
Während Sarah entspannt die S-Bahn-Station mit direktem Blick auf das Marienforum verlässt und Diana im Gallus aufs Rad steigt, schaue ich mich vor dem Gebäude etwas ratlos um. Wo soll das betagte Cruiser-Bike nur hin? Hätte ich Tribes-Chief Michael rechtzeitig gefragt, wüsste ich, dass es im Gebäude sicher verstaut werden kann. Aber weil unser Gespräch noch bevorsteht, parke ich, wie so viele andere, an der Stange eines Verkehrsschildes.
Unser Besuch bei Tribes ist etwas ganz Besonderes: Wir dürfen uns nicht nur den Co-Working-Space anschauen, sondern auch mit der freelancers & friends-Community am großen runden Tisch (zwölf Hungrige passen bequem dran) frühstücken. Das erste Mal seit zwei Jahren!
Der offene Raum hat hohe Decken; durch die bodentiefen Fenster scheint die Sonne herein. Neben einigen flexiblen Schreibtischen mit einfachen Stühlen gibt es hier noch eine Theke mit Kaffeemaschine und Barhockern – für spontane Begegnungen und geplante Prokrastination. Sade, One Republic und die sphärischen Klänge von „Wer war das noch mal?“ umhüllen uns in idealer Lautstärke.
Dass die niederländischen Gründer der Co-Working-Space-Kette ein Faible für Storytelling haben, merken die Besucher:innen selbst auf der Toilette. Denn die Gestaltung aller Standorte erweckt den Namen des Unternehmens, Tribes (=Stamm, Sippe), zum Leben: jeweils andere Nomadenstämme bestimmen etliche Komponenten des Bürodesigns. Ein Wandtattoo repräsentiert das entsprechende Motto der modernen Arbeitsnomad:innen: „We Go Where the Business Is“.
In der Mainzer Landstraße Nummer 1 arbeiten die Mieter:innen umgeben von den Einflüssen der Massai. Dunkelrote Tapete mit Tribal-Muster, zahlreiche Portraits von Stammesvertreter:innen auf Postern und Bildschirmen, kleine Arbeitsecken in Orange- oder Rottönen.
Wer Abwechslung sucht, wandert innerhalb Frankfurts weiter in die Neue Mainzer Straße zu den Dukha oder in die Baseler Straße zu den Vanuatu. Ansonsten besuchen Nomad:innen die Chukchi, Bajau oder Asaro in acht niederländischen, belgischen und deutschen Städten, je nach Vertrag, ohne Aufpreis.
Neben einem zweiten offenen Bereich, in dem echte Bürostühle und schlichte, funktionale Schreibtische dominieren, stehen Mieter:innen verglaste Büros in allen Größen zur Verfügung. Diese nutzen Recruitment- und Reinigungsunternehmen genauso wie Consultingfirmen. Die Miete entspricht der Lage und Ausstattung – eine nicht unerhebliche monatliche Investition, die den individuellen Geschäftszielen folgt. Besonders freut uns, dass ein Tagesticket für 25 Euro sowie eine Zehnerkarte für 126 Euro erlauben, sich mit Bekannten oder Fremden auszutauschen. So funktioniert Flexibilität.
Überhaupt: Flexibilität spielt für Chief (also, den Anführer der örtlichen Truppe) Michael Xanthakos eine große Rolle. Vom Standard abweichende Anforderungen stellen für ihn Herausforderungen dar, die es zu meistern gilt. Du brauchst eine Klimmzugstange? Möchtest ein Känguru mitbringen? Oder jeden Morgen Eiskaffee mit einem Schuss Cedrat-Zitrone trinken? Nichts scheint unmöglich. Vorausgesetzt, es stört die anderen nicht und geht auf Deine Kosten.
Andere Tribes-Mitglieder zeigen sich nicht minder agil. Wenn Michael mal das Gebäude verlässt, seine Kolleg:innen gerade zu Hause bleiben müssen und Frau Tribes International Director am Platz sitzt, dann packt sie ebenfalls mit an und lässt Gäste, die nach der Mittagspause vor der Tür stehen, herein.
Pause bedeutet in dieser geschäftigen Umgebung die Erkundung von Vielfalt. Auf einer Bank in der Taunusanlage den Wolken dabei zuschauen, wie sie an Elfenbeintürmen hängen bleiben. Ausflug ins Bahnhofsviertel. Flammkuchen mit Ellenbogen-an-Ellenbogen-Feeling am Opernplatz, wo gerade das Opernplatzfest zu Ende geht. Oder vielleicht doch lieber Instagram-kompatible Raffaello Pancakes in der Chinaski Tagesbar? Weil die Temperatur nach „Summer in the City“ in Dauerschleife schreit, verstecken wir uns im Erdgeschoss des Opernturms und essen Quiche und Salat mit Ginger Beer bei Brot und Butter.
Gestärkt kehren wir zurück, nehmen die Laptops aus den abschließbaren Schränkchen heraus (so tiefe Falten, wie sie die Frau auf meinem Türchen stolz in die Kamera zeigt, will ich auch mal haben), trinken ein Glas Infused Water (heute ist das stille Wasser mit einer Wassermelone versetzt) und arbeiten fleißig für unsere Kund:innen.
Wären wir feste Mieterinnen, könnten wir einmal im Monat an einem After-Work-Treffen teilnehmen, das abwechselnd in einem der drei Frankfurter Büros stattfindet. Wir dürften unseren Mitarbeiter:innen 20 Prozent Rabatt in einem Partnerhotel anbieten und mit Michael über einen Wasserkocher sowie eine Hängematte sprechen. Vielleicht träfen wir andere Nomad:innen, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln.
Heute, an einem ganz gewöhnlichen Corona-Ist-Noch-Nicht-Vorbei-Arbeitstag bleiben etliche Schreibtische leer, sodass wir den Gemeinschaftsgeist nur erahnen können. Aber wir haben vor, ihn eines Tages zu erleben.
Vierbeiner willkommen
Postservice inklusive
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Haben wir einen Aspekt übersehen?
Dann erzähl uns, was Dir beim Co-Working wichtig ist, damit wir beim nächsten Mal darauf achten.
Subjektive Notizen
Bloß keine grauen Schränke und kahlen Wände: das von den Massai inspirierte Bürodesign erfüllt die Vorgabe seiner Gründer und gefällt uns. Wir schätzen die Nichts-ist-unmöglich-Mentalität und die Zehnerkarte zum sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir kommen wieder!
Co-Working
Wer fühlt sich von dieser Umgebung angesprochen und schaut in anderen Zeiten vorbei? Das finden wir heraus.
Kundenmeetings
Ins Tribes laden wir Kund:innen ein, die gerne aus konventionell eingerichteten Büros ausbrechen.
Musikauswahl
Spotify bleibt ein Streitthema. Abwechslungsreiche Musik mögen wir hingegen alle.